[Rezension] Geiger, Arno: Der alte König in seinem Exil

Details:

Autor: Arno Geiger
Originaltitel: Der alte König in seinem Exil
Gelesen von: Matthias Brandt
Genre: Zeitgenössische Literatur, Erfahrungen
Gattung: Hörbuch
Verlag: HörbucHHamburg ( 2011 )
Dauer: 4 Std. 17 Min.

Inhalt:

Der alte König in seinem Exil behandelt ein Thema, das wohl jedem von uns ein unsicheres, bedrückendes Gefühl vermittelt: Demenz – Alzheimer. Eine Krankheit die jeden von uns eines Tages treffen könnte. Was sie so erschreckend macht ist die Frage, was vom Ich, von der eigenen Persönlichkeit übrig bleibt, wenn die Erinnerung – die eigene Vergangenheit – verschwindet und man die Menschen, die man liebt nicht mehr erkennt? Arno Geiger erzählt in diesem Buch über seinen Vater, der an Alzheimer erkrankt war und zeigt, wie dessen und sein eigenes Leben sich stückweise verändert haben.

Meinung:

Eine Demenz (lat. Dementia „ohne Geist“ bzw. Mens = Verstand, de = abnehmend) ist ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, das zu einer Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen führt und meist mit einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht. Vor allem ist das Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik; bei einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust bereits erworbener Denkfähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung.

Quelle: Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Demenz 

Als sich zum ersten Mal Zeichen für die Krankheit seines Vaters äußern, denken Arno Geiger und seine Familie, dass es sich dabei lediglich um den „eigenbrötlerischen“ Charakter jenes handelt, der sich mit dem Älterwerden verstärkt hat. Statt Sorge folgen Ermahnungen sich zusammenzureißen. Erst nach Jahren wird eine Diagnose gestellt und die Krankheit erkannt.

Eine Krankheit, die nicht nur Auswirkungen auf den eigentlichen Patienten hat, sondern auch die ganze Familie betrifft. Alzheimer ist eine Krankheit die in Phasen, mal stärker mal schwächer auftritt, manchmal sogar fast unbemerkt. Der Krankheitsverlauf ist nie vorhersehbar und bei jeder Person anders. Der Patient kann Ausfälle in seinem Erinnerungsvermögen haben, oder sogar vergessen, wie man kaut und schluckt. Motorische Fähigkeiten, Sprache/Kommunikation und die Erinnerung an das eigene Leben – Dinge, die das Leben lebenswert machen?

Einfach lassen sich diese Worte niederschreiben, aber ihre Bedeutung ist weitreichend und tiefgreifend. Wie ist es, eines Tages aufzuwachen und nicht zu wissen wo man sich befindet, oder wer die Personen sind, die plötzlich im Zimmer stehen. Im Raum, der einem unbekannt vorkommt, fremd, als wäre er nicht das eigene Zuhause, das Sicherheit und das Gefühl von Heimat bietet. Solche Momente hat der Vater viele und daraus resultieren konsequenterweise Panik und Angst.

Wie geht man als Sohn, Tochter, Ehefrau oder Schwester und Bruder damit um, wenn ein Familienangehöriger einem ins Gesicht sieht und nicht erkennt? Nicht sieht, dass man selbst ein Vertrauter, Freund oder geliebter Mensch ist? Diese Erfahrung macht die Familie des Autors immer wieder auf’s Neue. Sie müssen mit ansehen, wie der Vater stückweise seine Persönlichkeit verliert, wie die Sprache aus ihm heraussickert, ihm die Worte fehlen, um sich auszudrücken oder er orientierungslos durch sein eigenes Haus irrt.

Arno Geiger berichtet aber nicht nur von dem Krankheitsverlauf seines Vaters, sondern auch von seiner Person und seinem Leben, wie dieser gewesen ist bevor die Krankheit ausgebrochen war und warum er und sein Vater lange Zeit nicht den engsten Kontakt gepflegt haben, wie er aber nach und nach durch die Demenz seinen Vater neu kennenlernen konnte.

Das Buch zeigt welche Schwierigkeiten mit dieser Krankheit auftauchen, die nicht nur einen Lebensbereich, sondern die ganze Lebenswelt des Betroffenen verändern und dazu auch seine gesamte Familie, Freunde und Bekannte mitreißt. Keinesfalls verfällt Geiger dabei in (Selbst-)Mitleid, sondern berichtet seine Erfahrungen, die ihn teilweise – auch wenn man sie nicht positiv nennen will – für sein weiteres Leben bereichert haben.

Nicht zuletzt vermag die Stimme von Matthias Brandt diese Thematik auf die richtige Art und Weise zu vermitteln. Für mich als Hörer hat er regelrecht die Position des erfahrenden Autors und Erzählers eingenommen. Seine Stimmlage hat etwas Endgültiges, vielleicht auch teilweise Aufgebendes, denn die Einsicht diese Krankheit niemals besiegen zu können, schwingt in jeder Zeile mit. Lediglich eine Möglichkeit gibt es: die Akzeptanz des Unveränderlichen.

Fazit:

Bisher habe ich mich mit der Alzheimer-Krankheit nur wenig auseinandergesetzt, aber dieses Hörbuch vermittelt Unwissenden, wie sich diese Krankheit nicht nur auf den Patienten, sondern auf seine ganze Familie auswirkt. Arno Geiger stellt Fragen, die sich unweigerlich stellen, wenn man über diese Krankheit spricht, zugleich merkt er aber auch an, dass selbst ein Leben, das durch diese Krankheit so zerbrechlich geworden ist, immer noch lebenswert ist.

Bewertung: [5/5]

Ein Kommentar

  1. Habe einst das Buch in der Schule gelesen und konnte damals noch nicht wirklich begreifen, was Demenz für eine fürchterliche, menschenunwürdige Krankheit ist. Seinem Vater ein Denkmal zu setzen, fand ich von Arno Geiger mutig und bewundernswert. Danke für die Rezension!!

    GlG Klara

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