[Rezension] Márai, Sándor: Die Glut

Details:
Autor: Sándor Márai | Originaltitel: A gyertyák csonkig égnek | Genre: Belletristik | Reihe: – | Gattung: Roman | Verlag: Piper ( 2014, 20. Auflage)

Sándor Márai: Die GlutEin Schloss in Ungarn. General Henrik erhält einen Brief: ein lang erwarteter Besucher kündigt sich an. Seit 41 Jahren wartet der General auf nur eine einzige Person, um die Wahrheit zu erfahren, die ihn sein Leben lang umtrieben hat. Was geschah damals am Tag der Jagd, nach der sein bester Freund Konrád das Land verließ und in die Tropen ging – ohne Abschiedsgruß?

Eine bedingungslose, kindliche Freundschaft

Die Freunde Henrik und Konrád warten seit Jugendtagen eng befreundet. Trotz der Ungleichheiten, Henrik kommt aus reichem Haus, Konrád aus ärmlicheren Verhältnissen, tat dieser Umstand ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Während Henriks Vater ihn vor dem Anderssein Konráds gewarnt hatte, verstand der junge und treue General nicht, was sein Vater ihm damit sagen wollte. Er teilte eine bedingungslose Liebe für seinen Freund.

Beide gehen nach ihrer Jugend zum Militär, Henrik heiratet die schöne Krisztina und Konrád wohnt in der nahe gelegenen Stadt, kommt häufig für die Jagd und zum Abendessen auf das vertraute Schloss und Heim des Generals. Die drei sind Vertraute füreinander und genießen ihr Dasein. Doch stimmt das wirklich? Jener ominöse Jagdausflug verändert alles. Doch was genau geschah damals im Wald, als der General und Konrád allein durch die Wildnis streiften. Und was hat dieser Tag mit Krisztina zu tun, die schon vor langer Zeit starb?

Jene Begegnung nach 41 Jahren soll Klarheit ergeben. Der General will – als letztes in seinem Leben – die Wahrheit erfahren.

Eine ewig glimmende Wahrheit

Sándor Márai erzählt die Geschichte zweier Freunde, die in der Kindheit beginnt, als beide noch unschuldige Jungen waren und eine innige und unzerstörbare Freundschaft sie verband, und ihr Ende nimmt, als die Männer bereits im hohen Greisenalter sind. Welche Hindernisse, sozialer oder moralischer Art kann eine Freundschaft überwinden? Nach Jahrzehnten des Wartens soll nun endlich die Abrechnung erfolgen, eine Schuld beglichen werden und der innere Frieden gefunden werden. Seine Lebenskraft zog der General aus dem Warten heraus, das ihn seit 41 Jahren begleitet, nun endlich sieht er sich am Ziel seines Weges, nach Jahren der Einsamkeit und des Wartens: die Wahrheit.

Von der ersten Seite an liest der Leser sich in eine Welt hinein, die stagniert. Denn der General wartet, das Schloss steht still, kein Bediensteter wuselt durch die dunklen Gänge, kein Gelächter erfüllt die Räume. Erst als der Gast sich ankündigt, erwacht das Haus zum Leben und die Geschichte wird schrittweise in eine greifbare Spannungskurve gewunden. Von den frühsten Erinnerungen an seine Freundschaft mit Konrád lässt Márai seine Figur berichten, bis hin zu jenem entscheidenden Tag, der den Rest seines Lebens bestimmte: der Jagdausflug. Was genau dort geschah gilt es zu entschlüsseln. Ein glimmendes Erwarten streift durch die Seiten des Buches, denn der Zorn, die Wut, das Feuer von damals ist bereits erloschen und es stellt sich die Frage: wird es wieder auflodern?

Zwischen den manchmal sehr langatmigen Passagen aus detailreichen Erinnerungen baut sich dennoch eine aufglimmende Spannung im Text auf, die auch während des nächtlichen Besuchs weiterwächst. Konrád schweigt und so ist der Roman eher ein in Erinnerungen schwelender Monolog des Generals, der die Wahrheit erfahren will; der andererseits seine eigene Wahrheit längst gefunden hat, denn was, wenn diese Wahrheit sich als fälschlich erweisen würde? Was, wenn er erkennen müsste, dass er 41 Jahre im falschen Glauben gelebt hat? Ein wunderbarer Text, der trotz seiner Längen, sehr lesenswert ist, denn er eröffnet dem Leser eine in sich geschlossene Welt und erzählt von Freundschaft, die manchmal nicht alles überwinden kann, aber auch von Blindheit und Weisheit, die das Leben so mit sich bringt.

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