Rezension | Bahar, Alexander: Auf dem Weg in ein neues Mittelalter? Folter im 21. Jahrhundert

Details:

Originaltitel: Auf dem Weg in ein neues Mittelalter? Folter im 21. Jahrhundert
Genre: Zeitgeschehen
Reihe: –
Gattung: Sachbuch
Verlag: dtv ( 2009 )
Seiten: 299

Wie ich zu dem Buch gekommen bin: Als ich neulich in der Thalia-Buchhandlung stand, hat es mich zum Weltpolitik-Regal gezogen und diese Schrift in Großbuchstaben ist mir direkt ins Auge gefallen. Nachdem das Vorwort auch noch von Barbara Lochbihler, der scheidenden Generalsekretärin von Amnesty International, geschrieben wurde, von der ich erst kürzlich einen Vortrag miterleben durfte, musste ich das Buch unbedingt haben.

Klappentext: „Wir haben die Handschuhe ausgezogen“: So beschrieb die CIA ihr Vorgehen nach dem 11. September. In Deutschland wird die Folter von Populisten befürwortet, sogar manch seröser Jurist oder Politiker hält sie „unter bestimmten Umständen“ für anwendbar. „Rettungsfolter“, „verschärfte Vernehmungsmethoden“, „Waterbording“ – solche Euphemismen bemänteln fundamentale Verstöße gegen die Menschenrechte. Wie kam es zu den fatalen Ereignissen in Abu Ghraib und Guantánamo? Warum ist Folter heute wieder denkbar? Welche politischen und gesellschaftlichen Folgen hätte eine Aufweichung des Folterverbots?

Inhalt und Aufbau: Alexander Bahar beginnt sein Buch mit einer kurzen geschichtlichen Übersicht der Folter und deren Ursprung. Er beschreibt die ersten internationalen Konventionen, die sich gegen die Folter ausgesprochen haben, sowohl gegen Kriegsgefangene als auch gegen Zivilpersonen und geht danach genauer ins Detail, nämlich der Folter im Kalten Krieg.

Außerdem erläutert er das Handeln der CIA, die gezielt die Weiterentwicklung von Foltermethoden auf Grundlage der Nazi-Experimente im Dritten Reich spezialisiert hat. Ebenso werden Verbrechen gegen die gängigen Menschenrechte durch die CIA geschildert. Es spricht gezielte Methoden der Folter bei Verhören an und zeigt auch auf, wie die CIA russische, chinesische und andere Methoden zum Verhören von Gefangenen untersucht hat, um daraus die effektivsten Systematiken herauszusuchen.

Unter solche Methoden fallen Entzug von Sinnesreizen (Licht, Geräusche, Düfte), völlige Abschottung, selbstzugefügte Schmerzen (z.B. durch erzwungenes Stehen) oder – das seit dem 11. September bekannte – Waterboarding, bei dem den Gefangenen vorgespielt wird, sie würden ertrinken; außerdem Demütigungen, Angstzustände hervorrufen, Desorientierung herbeiführen und Regression (Persönlichkeitsmuster der Gefangenen bilden sich zurück und sie verlernen Schritt für Schritt alles).

Den letzten Abschnitt seines Buches widmet Alexander Bahar dann der Folterdebatte in Deutschland und erläutert diese anhand von Beispielen aus realen Fällen.

Meine Meinung:

Dieses Buch bietet ein breites Wissen über die Folter im 21. Jahrhundert. Der geschichtliche Einstieg ist relativ kurz und bietet daher eine knappe Übersicht für Neulinge. Alexander Bahar schreibt verständlich, sodass auch politische oder juristische Thematiken – z.B. wie das Folterverbot im deutschen Völkerstrafgesetzbuch vertreten ist oder welche völkerrechtlichen Übereinkommen es gegen Folter gibt – gut erläutert werden. Insbesondere die Methoden der CIA lassen den Leser mit offenem Mund zurück, wenn er liest, dass diese an „ahnungslosen Versuchspersonen“ in us-amerikanischen Städten in Gasthäusern und Bordellen medikamentöse Experimente durchgeführt haben. Auch die gewissenlosen Forschungen und Untersuchungen von Experimenten und deren Verifizierung an ausgesuchten Menschen – „passenden Versuchsobjekten“ – sind erschreckend. Auch wenn Bahar einen sachlichen Schreibstil in seinem Buch verwendet, schockiert es dennoch, wenn Menschen wie Versuchskaninchen behandelt werden.

Sehr interessant ist auch der Werdegang der CIA und dem „Krieg gegen den Terror“, der so manche Foltermethode und Straflosigkeit bei Folterung, nach den Anschlägen vom 11. September 2001, hat einsetzen lassen. Weiterhin schildert der Autor die Lage in Guantánamo, dem US-Militärgefangenenlager und dessen Entwicklungsstufen unter unterschiedlichen leitenden Persönlichkeiten, darunter z.B. Generalmajor Miller, der das Lager zu einem perfektionierten Modell aus Belohnung und Bestrafung gemacht hat.

Aber der Autor geht nicht nur auf die us-amerikanischen Foltermethoden ein, sondern zieht auch einen Teil seines Buches auf die deutsche Diskussion um das Thema Folter bei Verhören. Er bringt den bekannten Fall Murat Kurnaz und den Fall des entführten Bankierssohn Jakob von Metzler ein.

Alexander Bahar verwendet viel Faktenwissen, was manchmal etwas trocken sein kann, dennoch ist dieses Thema und das gesamte Buch sehr informativ und interessant. Daher 4 ½ von 5 möglichen Sternen.

3 Kommentare

  1. Danke für diese Rezi! Das Buch klingt sehr interessant, ich hab in der Unterstufe mal ein Referat über Foltermethoden des Mittelalters gemacht, wär also angebracht, wenn ich mein Wissen mal etwas erweitere 😉 Auf meiner Liste steht es mal. Ich hoffe, ich komm im Sommer dazu, es mir näher anzusehen.

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