[Rezension] Zange, Julia: Die Anstalt der besseren Mädchen

Details:
Autorin: Julia Zange | Genre: Gegenwartsliteratur | Reihe: – | Gattung: Roman | Verlag: Suhrkamp ( 2010 ) | Seiten: 158

Loretta und Malte sind auf den ersten Blick ein völlig normales Paar. Er Student der Medizin, sie der Kunstwissenschaften. Doch in Lorettas Kopf herrscht oftmals Chaos. Sie ist depressiv und jeden Morgen muss Malte sie aus dem Bett ziehen. Während er Schichtdienst im Krankenhaus hat, schläft Loretta viel lieber, spielt im hin und wieder etwas vor und vollführt nur das nötigste: Essen kochen, Partys feiern.

Loretta kommt auf kuriose Ideen, die manchmal qualvoll, manchmal nur peinlich für Malte sind, doch seine Liebe für sie ist so groß, sodass er über alle Schwierigkeiten hinwegsieht. Als Lo schwanger wird, behält sie das Kind – nicht weil sie es will, sondern weil Malte es nicht will, mit seinem Studentengehalt und der kleinen Stadtwohnung.

Eine Protagonistin sucht ihresgleichen

In den Kopf von Lo erhält der Leser einen Einblick. Und so wird das Lesen von Die Anstalt der besseren Mädchen ein kleines Abenteuer, denn zwischen Realität und Wahn oder Traum oder wie man Los Welt auch immer bezeichnen möchte, macht sie keinen Unterschied. Sie lebt in den Tag hinein, manchmal vor sich hindämmernd, aber meist unbekümmert und dann doch wieder voller Zweifel und dem Erwartungsdruck von Malte nicht standhaltend.

Loretta hat Wahnvorstellungen, so sieht sie in ihrer kleinen Tochter eine berechnende Persönlichkeit, die sie als Jungen aufziehen möchte, damit sie kein Prinzessinnenverhalten annimmt. Julia Zange zeigt in ihrem Debütwerk eine Frau, die den Boden unter den Füßen verloren hat und die nur halbherzige Hilfe erfährt. Lo hat ihre eigene Persönlichkeit nicht im Griff, oder – so wie es auf viele junge Menschen zutrifft – noch nicht vollständig entwickelt. Sie ist ziellos und kennt kein Verantwortungsbewusstsein. Sie hat verwirrte Gedanken und tut das, wonach ihr ist, ohne auf Konsequenzen oder ihre Umgebung zu achten. Sie lebt ein hedonistisches Leben.

Das Landcamp – ein Fernsehversuch?

Ihre Flucht aus der bürgerlichen Alltagswelt und vor den kontrollierenden bzw. beschwichtigenden Versuchen Maltes führt Lo auf’s Land zu einer Gruppe von Mädchen, die gemeinsam auf einem Hof leben, sich die täglichen Aufgaben teilen, strikte Regeln haben, aber keine straffen Wertmaßstäbe vertreten, wie der Rest der Gesellschaft. Und hier verschwimmt die Realität noch mehr mit den Bildern in Los Kopf. Und als Leser kann man nur bedingt erraten, was wirklich geschieht in der Abgeschiedenheit des Hofes, der freien Liebe und sexuellen Lust. Die Anstalt der besseren Mädchen erfordert ein genaues Lesen, ein Lesen zwischen den Zeilen, zwischen surrealen Szenerien und harter Wirklichkeit. Behaupten kann ich nicht, dass ich das Buch verstanden habe, aber wahrscheinlich deshalb, weil es kein Buch ist, das einfach so am Ende der letzten Seite verstanden werden will.

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